Zum Inhalt springen
Startseite » Googles kühle Milliarde: Europas Weg zum autonomen Cloud Computing führt ausgerechnet über die USA

Googles kühle Milliarde: Europas Weg zum autonomen Cloud Computing führt ausgerechnet über die USA

„Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, …“

Brüssel hatte im Oktober 2020 unter deutscher Ratspräsidentschaft ein weiteres IPCEI („Important Project of Common European Interest“) beschlossen – konkret ging es diesmal um den Aufbau der nächsten Generation von Cloud-Infrastrukturen und -Services in Europa, woraus das sogenannte IPCEI-CIS-Projekt entstand. Ziel? Die Stärkung der digitalen Souveränität Europas, wobei besonderer Wert auf die Einhaltung der EU-Datenschutzstandards (in Kontrast zu den amerikanischen sowie britischen Entwicklungen) gelegt wurde.

Doch während sich die EU seitdem eher träge – jedoch stets öffentlichkeitswirksam – von Milestone zu Milestone hangelt (Unterzeichnung eines Deutsch-Französischen Positionspapiers im Frühjahr 2021, danach Start der Bewerbungsphase für Partnerschaften im Juli), bringen nun ausgerechnet die Amerikaner mit ihrer abweichenden Datenschutz-Philosophie und ihrer Vorliebe zur Einbindung von Staatsstrukturen in Cloud Computing-Angelegenheiten plötzlich „echten“ frischen Wind in die deutsche Cloud-Szene:
Google wird bis 2030 alleine in Deutschland mehr als eine Milliarde Euro in den Bau zweier neuer Rechenzentren investieren und noch bis Ende nächsten Jahres eine komplett neue Cloud-Region in Berlin-Brandenburg begründen!
Wie dies bekannt wurde? Das US-Unternehmen verkündete es Ende August lapidar in einem seiner Blogs…

Europa konzipiert – die USA handeln

Diese Entwicklung ist deshalb das erste Anzeichen „echten“ frischen Windes, da die EU-Maßnahmen bislang auf der Stelle treten: Auf nationaler Ebene erleben wir die europäische Stagnation von Digitalisierungsmaßnahmen gerade erneut anhand der zu geringen Anzahl eingehender Förderanträge. Von den bereitgestellten 50 Mio. Euro sind nach gut eineinhalb Jahren derzeit gerade einmal 15% abgerufen worden; die Deutsche Telekom fungiert mittlerweile sogar aus freien Stücken (und nach eigenen Angaben mit einigem Erfolg) als Förderantrags-Supporter für KMUs, um die Quote noch nach oben zu korrigieren.

Verschläft die EU (und damit auch Deutschland) die Digitalisierung der Wirtschaft nun also vollends – und schießt sich somit auch in Sachen Cloud-Hosting ins Aus? Vielleicht auch nicht: Wie auf der Fachmesse Digital X bekannt wurde, wird Google bei seiner Großinvestition strategisch mit T-Systems zusammenarbeiten. Kommuniziert wurde dabei der gemeinsame Wille, eine „souveräne Cloud für Deutschland“ zu erschaffen, wobei T-Systems „relevante Teile“ der deutschen Google-Cloud-Infrastruktur kontrollieren soll: „Jeder physische oder virtuelle Zugriff auf Einrichtungen in Deutschland – beispielsweise bei routinemäßiger Wartung und Upgrades – wird unter der Aufsicht von T-Systems und Google Cloud gemeinsam erfolgen“, so das Kommuniqué.

Man kann sich letzten Endes aber dennoch nur schwer des Eindrucks erwehren, die US-Player hätten längst begriffen, dass ihr eigenständiges Anpacken notwendig ist, um den digitalen Standard in Europa tatsächlich zeitnah auf das nächste Level zu heben. Denn wenn die EU ihre eigene Infrastruktur nicht zielgerichtet optimieren kann oder will, dann nehmen sich eben Google, Microsoft und Co. dieser Aufgabe an – und teilen den europäischen Markt unter sich auf.

Quellen:

www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/google-cloud-deutschland-investieren-rechenzentren

www.absatzwirtschaft.de/google-und-t-systems-bauen-souveraene-cloud-fuer-deutschland

www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/ipcei-cis

www.heise.de/news/Gaia-X-Bruder-EU-Cloud-Grossprojekt-IPCEI-CIS-geht-in-die-Dating-Phase

www.digitalbusiness-cloud.de/digital-x-2021-warum-digitalisierung-den-unterschied-macht

www.datacenterdynamics.com/news/google-to-expand-data-center-footprint-and-open-new-berlin-cloud-region