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EU-Single-Digital-Gateway: Zweifel an deutschem Umsetzungsstand

75 staatliche Bürgerleistungen, die bis zum Jahresende auf digitale Weise verfügbar sein müssen: Dies sind die Regularien der EU, für deren Umsetzung allen Mitgliedsstaaten aktuell nicht mehr viel Zeit bleibt und deren Erarbeitung auch auf Teamwork basiert, da die digitalen Angebote nicht nur für Einheimische, sondern EU-weit für alle betroffenen Bürger zugänglich sein müssen.
Die EU-Single-Digital-Gateway-Verordnung ist dabei autark von jedem Mitgliedsstaat zu realisieren, wobei die einzelnen Länder nicht dazu verpflichtet sind, Auskünfte über das aktuelle Umsetzungslevel zu geben. Klar ist aber: Bei Nichterfüllung droht ein Vertragsverletzungsverfahren.

Der Garant dafür, dass die vorgegebenen Ziele letztlich pünktlich erreicht werden können, war aus Berliner Sicht zuletzt die Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), über dessen (Nicht-)Umsetzung in der Vergangenheit schon viel und kontrovers berichtet wurde. Und wie bei so vielen deutschen Digitalthemen scheint auch hier keine Entspannung der Situation absehbar zu sein, da der aktuelle Umsetzungsstand gerade einmal bei 18 Prozent liegt. Wohlgemerkt: Schon zum Jahresende 2022 sollte die Umsetzung aller 575 Online-Verwaltungsleistungen eigentlich vollständig abgeschlossen sein – und es bleiben nur noch acht Monate zur Erfüllung aller EU-Regularien!

Dies wäre alles längst nicht so problematisch, wenn ein gesundes Grundvertrauen in die deutschen digitalen Transformationsfähigkeiten vorhanden wäre – ein Grundvertrauen, welches allerdings längst als erschüttert gelten muss, schließlich belegt Deutschland im EU-weiten Digitalisierungsvergleich zur Zeit nur noch Rang 18 von 27 (und ist damit seit 2021 sogar noch um weitere zwei Plätze abgerutscht).
Und aktuelle Prognosen fallen laut des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) eher noch negativer aus: „Wenn Länder wie Bulgarien, Rumänien und Griechenland, die momentan im Ranking noch hinter uns liegen, die technischen Lösungen implementieren, könnten sie uns demnächst überholen“, so der IW-Studienautor und Senior Economist Klaus-Heiner Röhl.

Grund dafür ist auch die stoisch-unflexible Umsetzungsstrategie (wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von einer Strategie sprechen kann): Überwiegend wird versucht, historisch gewachsene analoge Behördenvorgänge schlicht 1:1 in digitaler Weise abzubilden. Die Folgen: Es werden Onlinemasken über Prozesse gestülpt, die längst in ihrer Grundausrichtung hätten überarbeitet werden müssen; die Chance einer Neukonzeption und Entschlackung wird dabei komplett verschlafen.
Deutschland, deren Ampelregierung den „digitalen Aufbruch“ einst tatsächlich zur Prio 1 ihres Koalitionsvertrags erkoren hatte, droht dadurch endgültig den Anschluss an die europa- und weltweite Verwaltungsdigitalisierung zu verlieren. Ein Zustand, der einer der größten Volkswirtschaften der Welt wahrlich nicht würdig ist.

Quelle:
www.handelsblatt.com/politik/neue-studie-bulgarien-rumaenien-und-griechenland-koennten-deutschland-bei-der-modernisierung-ueberholen/