Die elektronische Patientenakte, oder kurz: ePA. Gefühlt wurden in den letzten Jahren mehr Berichte und Meldungen über die ePA verfasst, als diese Stand jetzt Anwender aufweisen kann. Gut, diese Aussage mag sich etwas überspitzt lesen, jedoch sind rund 550.000 Anwender bei potenziell 73 Millionen gesetzlich krankenversicherten Kunden nun wahrlich kein Grund zur Freude.
Nachdem mehrere regional ausgerichtete Rollout-Bestrebungen vorzeitig wegen übersensibler, zumeist emotional gelenkter Datenschutzbedenken und/oder genereller Erfolglosigkeit eingestampft wurden, wird das einstige Vorreiterprojekt nun bundesweiten Support erhalten, um so gewissermaßen zum Erfolg gezwungen zu werden.
ePA wird ab 2024 zum „Pflichtkontakt“ für gesetzlich Versicherte
Das vom Bund eingesetzte Mittel der Wahl für mehr ePA-Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung erinnert an vergangene Diskussionen rund um den Organspendeausweis: Die Akte soll zu einer sogenannten Opt-Out-Lösung ernannt werden. Opt-Out kommt aus dem „Permission Marketing“ und bezeichnet ein Verfahren, bei dem Werbung zugesandt oder persönliche Daten gespeichert werden, sofern der Betroffene dem nicht aktiv widersprochen hat.
Konkret bedeutet dies, dass jede gesetzliche Krankenkasse noch im Laufe des Jahres (oder aber spätestens ab 2024; der genaue Zeitpunkt wird dieser Tage noch verhandelt) ein Nutzerprofil für jeden ihrer Versicherten erstellen muss, wobei der Versicherte darüber in Kenntnis gesetzt wird und – wie beschrieben – aktiv widersprechen muss, wenn er die Nutzung der elektronischen Patientenakte für sich selbst nicht wünschen sollte.
Leere Profile zu erstellen ist leicht – doch woher kommen die Inhalte?
Doch die ePA wäre nicht die ePA und das deutsche Gesundheitswesen nicht ebenjenes, wenn nicht doch weiterhin einige Wolken am Digitalisierungshimmel auszumachen wären. Letztlich wird durch die Opt-Out-Variante nur garantiert, dass möglichst viele Nutzerprofile erstellt werden, doch selbststverständlich landen die bedeutsamen Dokumente über eventuelle Vorerkrankungen, der individuelle Praxis- und Behandlungsverlauf oder die persönliche Medikationsliste nicht einfach automatisch in der jeweiligen Akte. Jede Angabe und jedes Dokument, das die ePA wirlich für alle Beteiligten zum Mehrwert erheben würde, muss durch den jeweiligen Leistungserbringer (also in den meisten Fällen durch die behandelnde Praxis) importiert werden. Und wie dies genau abzulaufen hat, ist bislang nach Meinung vieler Experten nicht verbindlich genug geregelt.
Im Klartext heißt das: Selbst, wenn in Bälde 73 Millionen Deutsche die ePA aktiv als Smartphone-App zur Hand haben sollten, ist es weiterhin fraglich, in welchem Tempo und vor allem wie vollständig die Patientendaten in ihre Profile eingespeist werden. Im schlimmsten Fall könnten somit mehrere Millionen komplett nutz- und inhaltslose Dummyprofile existieren, während Behandlungsverläufe und Co. weiterhin autark in den einzelnen Praxen schlummern.
Bundesweiter ePA-Rollout? Ja, bitte! Aber bitte nun auch ein paar Überstunden für die Erarbeitung der Funktions- und Rahmenbedingungen einkalkulieren…
Quelle:
https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/epa-sollte-buergerpflicht-werden