„Die deutsche Gesellschaft ist in der digitalen Welt angekommen und profitiert von deren Möglichkeiten.“ Ein Satz, der erst einmal beruhigend klingt. Doch die Ergebnisse des aktuellen D21-Digital-Index 2022/2023 müssen als deutlich ambivalenter angesehen werden. Zwar zählen sich rund 85% der Deutschen zur „digitalen Mitte“ (55%) bzw. sogar zu den „digitalen Profis“ (30%), doch dürfte dies letztlich nicht allzu viel bedeuten, wenn sich dies nur auf das eigene Handeln im Hier und Jetzt sowie den Umgang mit digitalen Medien bezieht und dabei der Ausblick auf die private und berufliche Zukunft außen vor gelassen wird.
Der Vogel-Strauß-Effekt: „Die Digitalisierung wird mich schon nicht betreffen…“
Zwischen 2005 und 2016 neu entstandene Berufsfelder sind in 40% der Fälle digitalintensiv ausgerichtet. Dies ist eine Statistik, keine Meinung. Die deutsche Durchschnittsmeinung zur Digitalisierung der Arbeitswelt scheint jedoch sogar noch digitalaffiner auszufallen, als die Realität bisher dazu Anlass gibt: Satte 80% der Befragten glauben, dass bis zum Jahre 2035 einige derzeit noch existente Berufe obsolet und somit durch neue Tätigkeiten und digitale Methoden ersetzt werden. Die Lage scheint somit klar: Man ist sich relativ einig darüber, dass gewisse Berufe wegfallen und dafür neue, digitaler ausgerichtete Tätigkeiten entstehen werden, für die neue oder erweiterte Qualifikationen vonnöten sein werden.
Klar ist aber leider auch: Die Digitalisierung geht scheinbar immer nur die Anderen etwas an. Weshalb? Weil gerade einmal 19% der Deutschen glauben, dass sie selbst durch die erwähnten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt betroffen sein könnten. Dieses Missverhältnis ist in etwa so geartet, als wüssten alle Deutschen, dass morgen nur die Hälfte der sonst regulär fahrenden Züge verkehren werden – und doch gehen morgens 81% der Pendler ohne einen Plan B im Kopf zum Bahnhof. Schließlich wird man schon irgendwie noch in den Zug passen…
Die eigene Beschäftigungsfähigkeit muss stärker in den öffentlichen Fokus
Wirtschaft und Politik stehen „in der Verantwortung, die Menschen für die Folgen des Wandels zu sensibilisieren und verstärkt in die Entwicklung der notwendigen digitalen Kompetenzen zu investieren.“ Eine Aussage von Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, die nach heutigem Stand nur wenig Anklang findet. Lediglich 16% der Befragten haben innerhalb des letzten Jahres Schulungen und/oder Weiterbildungsangebote zum Thema Digitalisierung in Anspruch genommen, die vom Arbeitgeber bezahlt wurden. Ob dies nun auf eine mangelhafte Angebotslage seitens der Arbeitgeber zurückzuführen ist, oder aber Angestellte vorhandene Angebote schlicht nicht wahrnehmen wollen, wird an dieser Stelle zwar nicht deutlich – die zuvor erwähnten 19% lassen jedoch eine Interpretation valide erscheinen, die den Angestellten mindestens eine Mitschuld an ihrer kaum vorhandenen digitalen Beschäftigungsfähigkeit einräumen würde.
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