Das Delta zwischen dem physischen Hausarztbesuch und der telemedizinischen Versorgung möglichst klein gestalten: Das ist der Anspruch, der derzeit vorrangig in den deutschen Arztpraxen gelebt wird. Während die anhaltende Corona-Pandemie die Digitalisierung im Gesundheitswesen — wie auch innerhalb fast aller anderen Branchen — deutlich vorantreibt, darf nicht vergessen werden, dass hinter jeden digitalen Lösung immer auch Menschen stehen, die diese implementieren sowie fortwährend bedienen und überprüfen müssen.
Martin Scherer weist im Rahmen des aktuellen Evidenz-Updates darauf hin, dass bspw. die Telemedizin nur dann funktional sein kann, wenn eine ausgebildete Pflegekraft vor Ort in der Praxis dafür sorgt, dass die verwendeten Geräte ordnungsgemäß geführt und die Daten sauber übertragen und ausgewertet werden.
Überhaupt: Auch die technische Ausstattung muss sich der telemedizinischen Fernbehandlung anpassen. Spezielle Kameralösungen und elektrisch anschließbare Stethoskope sowie angepasste Otoskope, Dermatoskope uvm. müssen — abweichend von den Modellen der Präsenzkonsultation — beschafft und in ihrer Anwendung in den Betrieb eingebunden werden.
Digitalisierung ist in diesem Kontext demnach nicht nur die bloße Fähigkeit, überhaupt eine telemedizinische Versorgung durchzuführen — sie muss vielmehr für den Patienten gewinnbringend und in technisch-medizinischer Hinsicht professionell und sauber durchführbar sein — kurz: erfolgreich in real-personale Prozesse eingebunden werden.
Damit dies möglich ist, sollte auch an der Schnellverfügbarkeit (Stichwort: real-time data) von Patientenakten gearbeitet werden. Die elektronische Patientenakte (ePa) wäre hierfür ein gebührender Startschuss — die Telemedizin würde enorm von ihrer Verfügbarkeit profitieren, so die einstimmige Expertenmeinung im Rahmen des Evidenz-Update-Podcasts. Dass dies gerade in Corona-Zeiten doppelt wichtig wäre, bedarf ohnehin keiner weiteren Erläuterung.
Es reicht demnach nicht, bloß ein “early adopter” sein zu wollen und dies durch die eigene Praxisausstattung technisch zu untermauern. Vielmehr muss die Digitalisierung im Gesundheitswesen einen Bund mit der physischen Präsenzkonsultation, mit der verstärkten Nachwuchsförderung und auch mit der Akzeptanz- und Vertrauensfähigkeit breiter Teile der Bevölkerung eingehen — denn nur durch eine lückenlose, durchdachte Amalgamation kommen die zweifellos bedeutsamen Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung gleichermaßen bei Ärzten, Personal wie auch Patienten an.
Quelle:
www.aerztezeitung.de/Podcasts/Digitalisierung-Muss-fuer-Aerzte-einen-Mehrwert-bieten.html