Scheinbar endete ein zähes und langwieriges Tauziehen um die zukünftige Digitalisierung in der Energiewirtschaft glücklich, als das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) am 24.07.2020 dem vierten Hersteller eines Smart Meter-Gateways ein Common Criteria-Zertifikat ausstellte. Vorangegangen waren rund zwei Jahre der internen Beratung mitsamt notwendiger Prüfvorgänge, um sicherzustellen, dass die vier voneinander unabhängigen Hersteller sämtliche technische sowie datenschutzrechtliche Vorgaben erfüllen, um mit ihren Gateways in Verbindung mit einer modernen Messeinrichtung als intelligentes Messystem eingesetzt werden zu können.
Die Innovatoren in der Energiewirtschaft atmeten auf: die Digitalisierung eines ganzen Branchenzweigs schien beschlossene Sache und würde nun endlich konkret umgesetzt werden.
Doch eine vielversprechende Businesszukunft benötigt neben Innovation letztlich vor allem auch Investition — und genau in diesem Punkt wird derzeit die digitale Zukunft aufs Spiel gesetzt:
Rund 50 Messstellenbetreiber hatten sich zuvor gemeinsam an das Oberverwaltungsgericht NRW gewendet, da sie den durch die Allgemeinverfügung des BSI verpflichtend gewordenen Einbau der Gateways finanziell nicht tragen wollen. Das OVG prüfte daraufhin den Sachverhalt und äußerte sich vor wenigen Tagen in der Tat dahingehend, dass die Allgemeinverfügung “voraussichtlich rechtswidrig sei”, da insbesondere Mängel bei den Interoperabilitätsanforderungen vorlägen. Das BSI wird nun selbstverständlich alles daran setzen, diese Bedenken schnellstmöglich zu entkräften — das Tauziehen geht vorerst nun also doch weiter.
Wie auch immer dieser Rechtsstreit letztlich ausgehen wird: Der Fall legt eine der Hauptproblematiken offen, weshalb Deutschland sich im internationalen Digitalisierungsrennen heute in einer solch prekären Lage befindet. Wenn gesteigertes Gewinnstreben dazu führt, nur noch kurzfristig monetisierbare Projekte zu realisieren und somit langfristig notwendige Investitionen in Digitalisierung, Struktur und Netze ausbleiben, ist eine deutsche Aufholjagd ausgeschlossen — und bleiben unsere digitalen wie wirtschaftlichen Zukunftschancen auf der Strecke.
Quelle:
https://efi-net.de/auf-die-plaetze-fertig-stop-fehlstart-beim-smart-meter-roll-out/